Phantastisches Südamerika -...
Marco Gerhards
Reiseberichte gibt es viele, sind vielleicht der Ursprung prosaischer Literatur überhaupt – der staunende Mensch tritt fasziniert dem Neuem gegenüber. Planet Erde wurde erforscht und beschrieben, nicht bis in den letzten Winkel, aber vielleicht bis in den vorletzten.
Wozu also weitere Reiseberichte, obendrein aus Südamerika, dem hippen und angesagten Kontinent der Milleniums-Backpacker, dort wo jeder schon seinen Rucksack getragen hat?
Weil Mitteilungen an die Liebsten, gesendet als nahezu tägliche Email, ganz jungfräulich, authentisch und in vivo übermittelt werden. Weil der Autor nicht an seinem Heimcomputer mit Kaffee und Zigarette sitzt und Memoiren nachträglich für das Publikum diktiert, sondern in überfüllten Internetcafes im andinen Hochland, umgeben von schreienden und wuselnden Indianern, live in die Tasten haut.
Knapp vier Monate unterwegs ist ein unterhaltsames, humorvolles, an den Stellen, wo es um Konquista und Ausbeutung geht, aber auch kritisches Werk entstanden, das auch im Reiseboom-Zeitalter noch die Herzen von Fernweh geplagten Europäern erreicht. Immer wieder längst überfällige Schreie des indianischen Schmerzes kommen genau so zum Tragen wie das entgegengesetzte Naturbild der scheinbar doch nicht so gänzlich globalisierten Südamerikaner.
Besuche im Dschungel des Amazonas, am Fuße ecuadorianischer Vulkane und der größten Salzwüste der Welt stehen genauso auf der Agenda wie großstädtisches Treiben in Lima, Quito und Buenos Aires oder verschlafene Esel, gebratene Hühnerfüße und Insektenschwärme. Glückselige Betrachtungen der Sterne, Berge und Flüsse ergänzen sich mit politischen, historischen und sozialen Überlegungen zu einer spielerisch-neugierigen und kritisch-aufmerksamen Melange.
Offensichtlich ist hier ein Reisebericht von überzeugender Unschuld entstanden, mit dem nicht nur die Empfänger der Emails imaginär nach Ecuador, Peru, Bolivien, Chile, Argentinien und Uruguay reisen dürfen, sondern auch die Leserinnen und Leser des als Gesamtwerk erscheinenden Buches. Der Ursprung des Staunens liegt im Neuen, der Mensch verwandelt sich im Tun, die Reiseberichte aus Südamerika sind beredtes Zeugnis.
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