Polymathen, die neuen Genies der Renaissance
24symbols kollaboriert mit dem Radioprogramm Talenta Mundi, in dem wir erzählen, wie die Bücher die wir lesen uns motivieren und inspirieren. Auf 24stories möchten wir diese Geschichten mit Ihnen teilen. Heute: Polymathen.
Wir alle haben diesen einen Freund, der alles weiß, richtig? Ganz offen gesagt, das kann einem ganz schön auf die Nerven gehen. Er hat die letzten Kunst- Wissenschafts- und Belletristik-Bücher gelesen. Letztes Wochenende war er auf der Ausstellungseröffnung, die in aller Munde ist. Im Gespräch wechselt er mühelos von einem Thema zum nächsten, sei es eine Ausführung zur Notenschrift des 19. Jahrhunderts oder ein Vergleich von Wurftechniken der besten NBA-Spieler und deren offensichtlicher Zusammenhang mit mechanischer Physik. Ohne sein Wissen haben wir ihn bei „Wer wird Millionär“ angemeldet; damit er, falls er gewinnt, uns auf einen Drink einlädt oder, wenn er verliert, endlich einmal in seine Schranken gewiesen wird.
In der Wissenschaft sind diese Personen schon seit längerer Zeit unter verschiedenen Bezeichnungen bekannt. Ein Begriff, der sich zur Zeit großer Beliebtheit erfreut, ist Polymath, geprägt von der Deust Universität und von 3M. Gemeint ist eine Person, die verschiedene Wissensfelder abdeckt, sei es Wissenschaft, Technologie, Kunst oder Geisteswissenschaften. Ein klassischer Polymath war zum Beispiel Leonardo da Vinci, der uomo universale, zu dem wir im Übrigen die Biografie von Dmitri Mereschkowski sehr empfehlen:
Im Laufe der Geschichte gab es viele weitere Polymathen, genannt seien Hypatia von Alexandria, Avicenna, Isaac Newton, Hey Lamarr (die Hollywood-Schauspielerin, die diverse industrielle Erfindungen patentierte), Descartes und, natürlich Tony Stark Humorist und Iron Man-Erfinder.
Polymathen sind aus unserem Arbeitsalltag gar nicht mehr wegzudenken. Seit langer Zeit wird gesagt, dass jedes Team jemanden braucht der eine Rolle einnimmt, die Tom Kelley in seinem Buch „The Art of Innovation“ als die Rolle des Cross-Pollinators (Fremd-Bestäuber) bezeichnet. Denn es ist nicht nur wichtig, viel zu wissen, man muss auch fähig sein, dieses Wissen von einem Wissensgebiet aufs andere zu übertragen. So haben wir mechanische Strukturen erschaffen, die auf Bienenkolonien basieren oder NASA Erfindungen in unseren Alltag integriert (zum Beispiel LED-Lampen, viskoelastische Matratzen, etc.).
Die digitale Welt bezeichnet diese Menschen als T-geformte Menschen, die horizontale Linie verkörpert demnach ein breites Wissensspektrum und die vertikale Linie veranschaulicht das Tiefenwissen in einem spezifischen Gebiet. So gelingt es dem Polymathen, sein Wissen effektiv von einem Gebiet auf ein anderes zu übertragen.
Man kann diesen Gedanken noch weiterspinnen, so wie Tom Chi 2014. Tom Chi war der erste Product Manager von Google Glasses, dieser Erfindung, die nie so richtig fertig gestellt wurde, für die sich nun aber neue Möglichkeiten in der Industrie eröffnen. Während einer Rede auf dem Event „Mind the Product“ erwähnte Tom, dass er nach „PI-geformten“ Experten sucht. Gemeint sind Experten, die sich nicht nur auf einem Wissensgebiet spezialisiert haben, sondern auf zwei, einem aus jeder Hemisphäre des Gehirns – im Grunde also Ingenieure und Designer. Diese Personen zu finden muss so sein, als würde man ein Einhorn sehen…
Rapid Prototyping & Product Management by Tom Chi at Mind the Product San Francisco von Mind the Product auf Vimeo.
Ich erwähnte bereits Tony Stark, aber es ist offensichtlich, dass Elon Musk den modernen Polymathen verkörpert wie kein anderer: Papypal-Gründer, Gründer von SpaceX und Tesla und Initiator des Super-Zugs Hyperloop. Auch wenn Musk kein Erfinder sondern Unternehmer ist, ist er das perfekte Beispiel dafür, was es bedeutet, ein Polymathen der Gegenwart zu sein: Er verfolgt tecnisch fortgeschrittene, höchst kreative Ideen, dessen Umsetzung einen starkes Hintergrundwissen in verschiedenen Disziplinen vorraussetzen. Natürlich hilft es, ein Millionär zu sein… Wir empfehlen Elon Musks Biographie von Ashlee Vance, vor ein paar Jahren auch New York Times Bestseller.
Wie wird man zum Polymathen? Oder ist das nur ein paar Wenigen vorbehalten? Es ist eigentlich wie immer, uns sind zwar Grenzen gesetzt, aber natürlich kann jeder sein eigenes „Polymathen-Potential“ maximieren und verschiedenste Interessen pflegen. Gerade heutzutage, in einer Welt, in der die Mehrheit der Bevölkerung per Internet Zugang zu Kultur und Wissenschaft hat – so einfach wie nie zuvor: Erschwingliche Online-Kurse mit den besten Professoren der Welt, Logistik, die es uns ermöglicht jedes Buch, elektronisch oder gebunden, innerhalb von Sekunden zu kaufen, Abonnementdienste, die es uns ermöglichen, unzählige Bücher, Dokumentarfilme oder Lieder zu einem Fixpreis zu Rate zu ziehen, etc. Kurz gesagt, Zugang zu einer Technologie, die jeden Tag bezahlbarer wird. Aber machen wir uns nichts vor, um ein Polymath zu werden, muss man sich anstrengen. Keiner hat gesagt, dass es leicht wird!
Alle Bücher, die wir während des Radioprogramms vorstellen, sind in unserem Bücherregal Talenta Mundi auf 24symbols zu finden.