Digitale Nomaden
Als Teil unserer Reihe aus der Zusammenarbeit mit dem Radioprogramm Talenta Mundi möchten wir wieder ein Thema behandeln, das dem Namen des Programms entspricht. Vor ein paar Wochen haben wir Das Phänomen der Polymathen als absolutes Beispiel der „Talente der Welt“ erörtert, dieses Mal möchten wir zeigen, wie diese Talente die digitalen Technologien nutzen, um von überall auf der Welt zu arbeiten und zu kommunizieren. Natürlich meinen wir digitale Nomaden.
Man muss nur in ein Café einer x-beliebigen Stadt gehen um zu sehen, dass sich die Rolle des typischen Büroangestellten, so wie in Billy Wilders Film „Das Appartement“ dargestellt, verändert hat. Meistens reichen ein Computer, ein Tisch, ein Stuhl (oder eines dieser modernen Laufbänder) und eine stabile Internetverbindung, um ein Unternehmen zu führen. In einigen Fällen mag es nötig sein, hin und wieder eine 3D-Druckerei aufzusuchen, um Prototypen zu erstellen, aber auch das ist heutzutage kein Problem. Der Umzug unseres 24symbols Büros war schnell vollbracht: Laptops schließen, ein paar Kartons mit Verträgen und Dokumenten packen und auf zum neuen Büro! Man kann aber noch viel weiter gehen, und zwar nicht nur im übertragenen Sinne: Warum im Café um die Ecke bleiben, wenn man dieselbe Arbeit auch vom anderen Ende der Welt erledigen kann?
Diese Frage stellt sich Tim Ferriss, der in seinen Büchern erklärt, wie man sein Arbeitspensum erfolgreich reduziert und effizienter arbeitet, um mehr Zeit für sich zu haben. Frei nach dem Motto Übertreibung macht anschaulich, geben seine Bücher hilfreiche Tipps, wie man die neuen Technologien sinnvoll nutzen kann, um Arbeitsabläufe zu automatisieren, sich global zu vernetzen und zu kommunizieren und als Folge nicht mehr an einen bestimmten Ort gebunden zu sein, um zu arbeiten. Zum Beispiel macht uns Ferriss anhand des Kochenlernens mit dem „Metalernen“ vertraut. Das ist das eigentliche „Rezept“ in Der 4-Stunden-(Küchen-)Chef: Sie werden in der Küche für alle Dinge außerhalb der Küche trainieren.
Aber wie schafft man es, auch außerhalb eines disziplinierten Umfeldes, wie es das Büro ist, produktiv zu arbeiten? Tim Ferriss empfiehlt externe, persönliche Assistenten. Als er sein erstes Buch 2007 schrieb, schien es noch eine Science-Fiction-Vorstellung, dass wir im Jahr 2018 einen erheblichen Arbeitsanteil an Roboter-Assistenten, wie zum Beispiel Amy von x.io, abgeben würden. Auch wenn Amy nicht mit einem menschlichen Assistenten verglichen werden kann, gibt es doch Momente, z.B. in der Terminplanung, in denen sie auf dem berühmten Turing Test eine sehr hohe Note erzielt.
Wenn Sie Tim Ferriss überzeugend finden, drängt sich folgende Frage auf: Wie wird man zum digitalen Nomaden? Die goldene Regel ist parvo vivere, lateinisch für „mit wenig leben“. Digitale Nomaden nehmen Risiken in Kauf, die jeder Freelancer kennt: Gelegenheitsjobs, Zeiten mit wenig Einkommen, …mal ganz abgesehen davon, dass digitale Nomaden nicht immer Zugriff auf ihr Bankkonto haben und zeitweise ohne Bargeld in der Landeswährung auskommen müssen, keine Internetverbindung, etc. Trotzdem ist gerade diese Ungewissheit sehr reizvoll, denn, wie auch Chris Guillebeau weiß: Der Weg ist das Ziel!
Natürlich gibt es auch Herausforderungen für ortsunabhängiges Arbeiten. David Rock erklärt zum Beispiel, dass unser Gehirn sich gar nicht gerne auf eine Sache fokusiert und Ablenkung bevorzugt. Wer ständig unterwegs ist, für den steht Abwechslung auf der Tagesordnung und wenn digitales Nomadentum sich in den nächsten Jahren normalisieren sollte, muss es uns gelingen, diese Angewohnheit unseres Gehirns zu überwinden.
Eine weitere Herausforderung für digitale Nomaden ist, dass sie logischerweise in einem multikulturellen Umfeld arbeiten. Dies birgt viele Möglichkeiten für die persönliche und professionelle Entwicklung, zum Teil aber auch völlig unerwartete Konfrontationen. Mit dieser Begebenheit setzt sich das Buch Cultural Intelligence auseinander:
Man kann das Prinzip des parvo vivere und der digitalen Nomaden noch weiter perfektionieren: Die Zero Waste Bewegung ruft dazu auf, nicht nur unsere Arbeitsweise effizienter zu gestalten, sondern auch unseren Lebensstil, denn wir tragen Verantwortung für die Welt in der wir leben: Weniger konsumieren, effizienter recyceln und wiederverwerten. So wird das individuelle Konzept von digitalen Nomaden mit wenig auszukommen zu einer globalen Handlung.
Ohne Büro zu arbeiten ist keine neue Erfindung, ganz im Gegenteil. Der Mensch begann als Jäger und Sammler und ein Teil von uns sträubt sich immer noch gegen die Sesshaftigkeit, die uns erst die Landwirtschaft und dann den Schlips brachte. Es scheint ganz so, als würde der digitale Fortschritt uns einen goldenen Mittelweg aufzeigen: Die Welt erkunden und gleichzeitig einer Arbeitsroutine nachgehen, die uns eine gewisse Sicherheit verschafft.
Zum Abschluss noch ein Zitat von Walt Whitman, dem Vater aller Weltenbummler, aus seinem Lied der Landstraße aus der Sammlung seiner Gesänge und Inschriften:
Und nun von Stund an erklär ich mich frei von Schranken und eingebildeten Linien,
Ich gehe, wohin ich will, mein eigener Herr völlig und gänzlich,
Ich höre auf andre und prüfe gut, was sie sagen,
Breche ab, empfange, suche, betrachte,
Freundwillig, jedoch unbeugsamen Willens, der Krücken entratend, die mich stützen wollen
Wie immer haben wir alle Bücher, die wir im Artikel erwähnen, in unserem Bücherregal Talenta Mundi zusammen gestellt. Schauen Sie selbst: